Stellungnahme von prolegal e.V. zum neuen Referentenentwurf des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Am Abend des 22.03.2021 wurde seitens des BMI der vorliegende Referentenentwurfper Mail versandt und eine Frist zur Stellungnahme von nur sieben (7) Tageneingeräumt – eine inakzeptable kurze Zeitspanne, und dass nicht nur in Zeiten der Pandemie-Bestimmungen.
Einmal mehr demonstrieren die Verantwortlichen des Referats KM 5 und der übergeordneten Abteilung “Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz” damit ihre auch schon früher gezeigte Geringschätzigkeit der über 30 angeschriebenen Interessenvertretungen und Verbänden der Reservisten, Sportschützen, Jäger, Sammler und anderen Betroffen aus Industrie und Handel – bundesweit mehr als zwei Millionen Menschen und Wahlberechtigte.
Der neue Referentenentwurf steht auch im krassen Widerspruch zu den Aussagen der Ministerialbehörde, die im Rahmen eines Sicherheitsgesprächs mit den anerkannten Schießsportverbänden am 04.03.2021- also keine drei Wochen zuvor – eine Frage nach weiteren Anpassungen des Gesetzes in dieser Legislaturperiode verneinten.
Als Anlass – oder Vorwand – der jüngsten Aktivität des Referats KM 5 wird der tragische Massenmord von Hanau am 20. Februar 2020 genannt, der genauso wie der hinterhältige Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 nicht wegen irgendwelcher Mängel oder Lücken im Waffenrecht stattfinden konnte, sondern wegen grober behördlicher Vollzugsdefizite, die im Falle des mehrfach psychisch auffälligen und wegen diverser Delikte polizeilich bekannten Täters Tobias Räthjen bis in die Reihen der hessischen Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwaltschaft reicht.
Vorauszuschicken ist, dass unstrittig alles getan werden muss, um psychisch kranken Personen den Zugang zu Waffen unmöglich zu machen, oder bei etwaigen nachträglich gewonnenen Erkenntnissen erteilte Genehmigung zu widerrufen. Auch steht selbstredend außer Frage, dass Kriminellen und Extremisten jeglicher Art der Zugang zu Waffen zu erschweren ist. Wie wenig das trotz zahlloser Verschärfungen des Waffengesetze bis dato gelang, belegen nicht nur die Mengen illegaler Schusswaffen und Sprengmittel, die in den letzten beiden Jahrzehnten bei terroristischen Anschlägen in West- und Mitteleuropa zur Anwendung kamen, sondern auch die fast schon alltäglichen Beifunde bei Razzien im Bereich der OK- und Clan-Kriminalität.
Wie einem pawlowschen Reflex folgend wird jedoch von der Fachbehörde des Bundesinnenministers wieder einmal nur der/die rechtstreue Legalwaffenbesitzer*in ins Visier genommen.
Es drängt sich die Frage auf, warum die von prolegal e.V. und anderen Betroffenen seit Jahren geforderte Unterscheidung in der polizeilichen Kriminalstatistik die Ausweisung bei Straftat nach legaler/illegaler Waffe immer noch nicht umgesetzt worden ist. Wie bekannt, wurde diese Forderung jüngst durch die Abgeordnete „Bündnis 90/DieGrünen“ – Frau Dr. Irene Mihalic ebenso aufgeworfen und dessen Einführung gefordert. Gerade die Unterscheidung würde notwendige Zahlen in das richtige Licht rücken und die Notwendigkeit weiterer Verschärfungen im Waffenrecht begründbar machen, oder (wie wir vermuten) zu der Feststellung führen, dass es auf der Grundlage der Fakten überhaupt keiner weiteren Verschärfung bedarf. Damit würde ein für allemal aus der Behauptung ein Beweis.
Fakt ist jedoch, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten für den legalen Waffenbesitz vollkommen ausreichend sind, wenn diese entsprechend angewendet werden. Wenn „Geschehenes“ der für das Handeln durch die Behörden der Auslöser sein soll, dann gilt es bestehende rechtliche Möglichkeiten anzuwenden und durchzusetzen. Es besteht nicht die geringste Notwendigkeit, hier durch eine neuerliches und kostenintensives Bürokratiemonster zusätzliche Möglichkeiten zu implementieren. Die bestehende Gesetzeslage ist vollkommen ausreichend. Die Behörde hat bereits jetzt Instrumente, bei fehlender Eignung oder dem entsprechenden Verdacht tätig werden zu können, das persönliche Erscheinen des Betroffenen anzuordnen.
Die jetzt neu zu schaffenden Möglichkeiten die Gesundheitsämter mit einzubeziehen, ohne hierzu die rechtlichen Grundlagen in Bezug auf Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte zu haben, ist schlichtweg abzulehnen. Darüber hinaus besteht mit der Abfrage bei den Gesundheitsämtern auch immer das Problem, dass mit subjektivem Empfinden berichtet, hierdurch einer ungewollten Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Auch muss mit großer Sorge in Betracht gezogen werden, dass im weiteren Verlauf die Stellschrauben in diesem System ohne großen Aufwand erhöht werden können. Mit dieser angedachten Regelung ist weder eine Rechtssicherheit verbunden, noch kann der/die Betroffene mit Berufung auf eine gesicherte Rechtslage den Rechtsweg beschreiten.
Gerade das, die unter II. „Wesentlicher Inhalt des Entwurfs“ ./. zu 4 – §6b, angeführte „Soll-Vorschrift“, auf Beteiligung der örtlichen Polizeidienststellen, zu einer verpflichtenden, anlasslosen Regelabfrage ausgebaut werden soll, ist strikt abzulehnen. Über diesen Weg kann nicht ausgeschlossen werden, dass subjektives Empfinden, persönliche Ressentiments in eine Beurteilung mit einfließen und letztendlich ein negatives Urteil zur Folge haben. Auch werden hiermit dem Denunziantentum vollkommen neue Wege eröffnet.
Betrachtet man die Änderungen im Waffenrecht der letzten Jahre, so drängt sich der Verdacht auf, das hier die Regierung Stück für Stück eine Blaupause umsetzt, mit der eine von der Politik scharf umrissene Gruppierung in ein Korsett aus Kontrollen, Vorschriften, Verboten und behördlicher Überwachung gezwängt wird, das dann später nur noch auf den Verordnungsweg durch Ministerialerlasse enger geschnallt werden kann, ohne das hierzu erst noch der Bundestag hinzugezogen werden muss.
Diese Betrachtungen stellen keine Stellungnahme im Sinne des Ersuchens dar. Aus Sicht prolegal e.V. verbietet sich diese, da nicht davon auszugehen ist, dass sich hierdurch eine Änderung des Entwurfes herbeiführen lässt. Die Kürze der Vorlagezeit, die Falschinformation in Bezug auf die Sicherheitsgespräche vom 04.03.2021 ist mehr als Indiz dafür, dass die Möglichkeitsgabe zur Stellungnahme Teil des notwendigen Ablaufs, eine „pro Forma“ Aktion ohne tatsächliches Mitspracherecht und damit eine reine Farce darstellt.
Zu frisch sind noch die Erinnerungen an die mündliche Stellungnahmen gegenüber Vertretern einzelner Schießsportverbände bezüglich der Magazinfrage. Mündlich wurde immer wieder zugesichert, das sich die Sportschützen keine Sorgen machen müssten, standen aber wie der sprichwörtliche Pudel im Regen, als dann im Januar 2019 der Referentenentwurf veröffentlicht wurde. Letztendlich kam es dann doch zu dem rückwirkenden Verbot bestimmter Magazine, bzw. Schusswaffen, deren Magazine eine bestimmte Kapazität überschritten. Garniert wurde das Ganze am Ende dann auch noch mit einer Limitierung der gelben WBK auf 10 Langwaffen, welche am Vorabend der zweiten und dritten Lesung des “3. Gesetz zur Novellierung des Waffenrecht” im Bundestag heimlich, still und leise in den Kabinettsentwurf aufgenommen wurde.
Überhaupt wirkt das Procedere der Abfragen von Stellungnahmen bei allen betroffenen Verbänden und Interessengemeinschaften als lästiges Pflichtübung heraus, die immer noch ihresgleichen sucht. Wir erinnern uns – letztendlich wurden die Kritiken und Vorschläge der Vereine und Verbände vom BMI und anschließend auch vom Kabinett sowie des Innenausschuss komplett ignoriert. Besorgte und betroffene Bürger wurden von ihren Abgeordneten mit vorgefertigten und nichtssagenden Antworten abgespeist und teilweise sogar wissentlich hinters Licht geführt.
Ganz offensichtlich vergeudet man in den so sorgfältig abgeschotteten und gesicherten Räumlichkeiten des BMI in Berlin Alt-Moabit keine Gedanken, wie die am grünen Tisch ersonnenen Melde-, Nachberichts- und Datenwege der zusätzlichen Nachfragen in den Ländern und Kommunen in die Praxis umgesetzt werden sollen. Schon jetzt stauen sich in den unteren Verwaltungsebenen der Kreis- und Polizeibehörden die durch die letztjährigen Verschärfungen des Waffenrechts produzierten Anträge und Registrierungsmaßnahmen. Die Verarbeitung von WBK-Anträge verzögern sich um ein halbes Jahr und mehr wie in Teilen von Hessen und Baden-Württemberg, weil die Verfassungsschutzämter mit den Rückmeldungen auf sich warten lassen. Dort, wie auch bei den sachbearbeitenden Kommunalbehördem, fehlt es an zusätzlichen Planstellen – aber dafür ist das BMI “natürlich nicht verantwortlich zu machen”.
Fazit: prolegal e.V. lehnt die angedachten Verschärfungen des Waffenrechts in Form und Inhalt in Gänze ab.
Der Vorstand : Dr. David Th. Schiller, Reiner Assmann , Nico Catalano